Sonntag, 18. April 2010

Sind 5212 Liter Wasser für ein T-Shirt wenig?

aus Tages-Anzeiger, Schweiz, 14.01.2010

Die Lausanner Textilfirma Switcher hat sich seit Jahren der Nachhaltigkeit verschrieben. Nun liess sie von Quantis, einem Spin-off der EPFL Lausanne, berechnen, wie viel Wasser die Produktion ihrer T-Shirts verbraucht. Das für Laien unfassbare Ergebnis: Von der Erzeugung der Baumwolle in Indien bis zum Verkauf im Laden braucht es für ein einziges Switcher-Shirt 5212 Liter Wasser! Doch das ist nicht viel, sondern wenig: Gemäss WWF können für ein T-Shirt bis zu 20 000 Liter draufgehen. Die Firma Switcher erreicht ihren Topwert, indem etwa das Abwasser konsequent rezykliert und wieder in den Produktionskreislauf eingeleitet wird. Aber nicht nur T-Shirts verschlingen Unmengen von Wasser. Auch für einen Hamburger zum Beispiel braucht es 2400 Liter. Kein Wunder also, ist der Kampf um den Rohstoff Wasser voll entbrannt.

Donnerstag, 15. April 2010

Was heisst hier fairer (gerechter) Preis?

Oekonomisch/Politisch: Der Preis wird vom Markt, also von Nachfrage und Angebot bestimmt. Je nach Markt- und/oder Interessenlage, kann von starken Marktteilnehmern der Preis auch zu ihren Gunsten veraendert bzw. beeinflusst werden.

Philosophisch/Philantrhropisch: Der Preis bestimmt sich aus dem sozialen Miteinander aller Beteilgten. Er ist angemessen, unparteiisch und gleicht die Interessen und die Verteilung zwischen den beteiligten Gruppen aus.

Nach Platon ist Gerechtigkeit eine innere Einstellung, die herausragende Tugend, der entsprechend jeder das tut, was seine Aufgabe ist, und die drei Seelenteile des Menschen (das Begehrende, das Muthafte und das Vernünftige) im richtigen Verhältnis zueinander stehen.

Ganz spontan tendiere ich ja eher zum ollen Platon, obwohl er allgemein von Gerechtigkeit und nicht vom fairen Preis eines bestimmten Produktes gesprochen haben wird. Trotzdem, auf Baumwolle bezogen (die es als Produkt ja noch laenger auf dem Markt gibt) kann man schon etwas verzweifeln, bei der Feststellung, dass sich in 2.500 Jahren, nicht der schlaue Platon, sondern die, auf alle Faelle auch nicht doofen, Gierigen durchgesetzt haben.

Kurzer Schwenk (und dann ist auch gut mit den alten Griechen) zu meinem persoenlichen Lieblingsfreak dieser Zeit, Diogenes (Das ist der, der angeblich in einer Tonne lebte und sich als erster Mensch als „Weltbuerger“ bezeichnete) : Als Alexander der Große zu Diogenes an die Tonne trat und ihm einen Wunsch freistellte, antwortete dieser: „Geh mir aus der Sonne“, worauf Alexander meinte: „Wäre ich nicht Alexander, wollte ich Diogenes sein.“ (auch so ein Cleverele der Alexander, oder?)

Zurueck in die Zukunft, der Preis wird vom Markt bestimmt, geregelt in Angebot und Nachfrage. Ist vielleicht nicht die tollste Erkenntniss, aber eine Alternative dazu hat Stalin mal auf den Weg gebracht, in dem er im Jahr 1924 anordnete, dass das heutige Usbekistan zum Baumwolllieferanten der Sowjetunion werden sollte. Das Ergebnis ist eine der groessten oekologischen Katastophen ueberhaupt und am Aralsee (oder das was davon ueber ist) zu beschlechtachten.

Ueberhaupt, bezahlt (und in gewissem Masse auch bestimmt) wird letztlich vom Verbraucher. Fuer ein T-Shirt haetten wir dann eine Preisspanne von 1,99 Euro (Volksshirt von FIK) bis zu 45 Euro (Madonna Tourshirt). Diese Extreme weggelassen, liegt ein T-Shirt im Musikmerchandise ueblicherweise zwischen 15 und 25 Euro. Die Spanne hatte ich auch im Auge beim Kauf meines Johnny Cash T-Shirts (Blog: I WANT CASH). Hin und wieder stosse ich in diesem Zusammenhang auf die Argumentation, dass die Naeherin einen oder zwei Euro am Tag verdient, das Shirt aber fuer 25 Euro verkauft wird und man daraus schliessen soll... ungerecht und unfair.

Vorgestern hat ein Investmentfonds im US Immobiliensektor bekannt gegeben, dass sie 3,5 Milliarden Dollar in den Sand gesetzt haben...in Indien haben sich im letzten Jahr rund 5.000 Farmer umgebracht, weil sie ihre erdrueckenden Schulden von etwa 500 Doller nicht bedienen konnten. Ungerecht und unfair...

Alles Bullenscheisse, babylon must burn...yeahhh...

Versuch ich es doch mal hiermit:

Philoekonomie: Der faire (gerechte) Preis bestimmt sich aus dem sozialen Miteinander aller Beteilgten und wird von Nachfrage und Angebot bestimmt.

Ich bin kein studierter Fachmann, aber soviel weiss ich, dass T-Shirt/Baumwollgeschaeft ist kompliziert, mit vielen Beteiligten Spielern und Interessen, um PHILOEKONOMIE andenken zu koennen, sollte ich den Kreis der Beteiligten vorerst ziemlich verkleinern.

USA schiesse ich hiermit raus. Die Riesenfarmen werden heute fast ausschliesslich mit Maschienen bewirtschaftet, Menschen sind da immer weniger involviert. Hinzu kommt, dass die Baumwollproduktion in den USA sich von 2005/06 zu 2008/09 nahezu halbiert hat (wobei die Ernte zu fast 100 % exportiert wurde).

Alle Farmer, die konventionelle Baumwolle mit Hilfe von BT Cotton anbauen fliegen auch raus.

Und dann auch noch alle, die Pestizide von Bayer etc. verwenden...raus!

Beiben 220.000 Farmer die Baumwolle anbauen. Aufgeteilt auf 22 Laender. Wobei Indien, die Tuerkei, Syrien und Tanzania die meisten Farmer stellen.

Diese 220.000 Farmer bauen Baumwolle oekologisch an, also keine Genmanipulierte und ohne Einsatz von Pestiziden.

Diese 220.000 Farmer haben in 2008 die Ernte um satte 20% erhoeht, auf rund 800.000 ballen ( ein Ballen = 480 lb)...

...was einem Weltmarktanteil an der Gesamtproduktion von Baumwolle von ganzen

0,76% entspricht.

Auch wenn dieser %satz eher mikrooekonomisch relevant ist, schliesse ich aus meinem PHILOEKONOMIEspiel auch noch die fuenf groessten Abnehmer von Biocotton aus, die da waeren: WAL MART, NIKE, WOOLWORTH (Suedafrica), COOP (Schweiz) und C&A (Quelle: saubere sachen, kirsten brodde).... da staunt man, oder?

Und los gehts... Mitspieler/Beteiligte sind:

Eine Kooperative von Baumwollfarmern in Indien (pflanzt und erntet die Baumwolle)

Aufkaeufer der Baumwolle (manchmal identisch mit dem Verarbeiter)

Der Verarbeiter der Baumwolle (Entkernen bis fertiges Produkt)

Der europaeische Aufkauefer des fertigen Baumwollproduktes (Verteilt und vor allem vermarktet die Produkte)

Der Grosshaendler/Drucker in Europa (Veredelt und vertreibt)

Der Einzelhaendler/Retailer (Verkauft und im Ideallfall vermarktet die Produkte auch)

Der Endkunde (ist zufrieden)

Das ist doch eine feine, kleine und vor allem ueberschaubare Gruppe von beteiligten Mitspielern.

Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob man noch eine wichtige Gruppe dazunehmen sollte, die der Zertifizierer. Ohne Zweifel, haben viele von diesen Organisationen einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass Fair Trade ein Thema in der breiten Oeffentlichkeit wurde. Wichtiger noch scheint es zu sein, dass der Endkunde darauf vertraut, dass Ware mit einem Fair Siegel auch...ja was denn eigentlich...Fair hergestellt worden ist. Bei der inflationaeren Menge von Artikeln mit Fair Siegel, komme ich schonmal ins Zweifeln. Im Umkehrschluss kann ich auch nicht davon ausgehen, dass alle Artikel ohne Fair Siegel unfair hergestellt worden sind.

Die mantrahaften Beteuerungen, dass man Preise ueber dem Marktpreis zahlt, impliziert, dass der Marktpreis immer zu tief ist, was Quatsch ist. Feste Preis und Abnahmegarantien sind nicht zwangslaeufig gut, sondern koennen auch eine gegenteilige Wirkung entfalten. Bei einem immer hohen Baumwollpreis, planzt auch der Kleinbauer lieber Baumwolle als Gemuese an.... bei hoeheren Ernteertraegen, muss dann aber auch am anderen Ende unserer Kette (dem Endkunden) der Bedarf steigen, sonst geht das alles nicht auf. Mit einer Uebrproduktion von einer Jahresernte, steht die Biocottongemeinde gerade vor einem grossen weissen Berg von Problemen (Siehe Blog: Der weisse Berg).

Ich tendiere eher zu kleinen, ueberschaubaren Einheiten. Der Punkt der fuer mich zaehlt heisst TRANSPARENZ. Wo ist das Hinderniss, dass alle Artikel transparent/nachverfolgbar gemacht werden? Ich denke, wenn der Wille da waere, waere das gar kein Problem. Heute ist das ueber Internet fuer alle machbar und fuer die Endkunden immer abrufbereit. Marco Polo musste noch mit dem Pferd nach China und seine Ordern plazieren...heute macht man das mit E-Mail und schaut sich dabei auch mal gerne die neuste Kollektion in Echtzeit an...

Der Preis bestimmt sich aus dem sozialen Miteinander. Das kann prima funktionieren, wenn alles miteinander harmonieren wuerde. Die Egos und die Gier kontrollierbar und beherrschbar bleiben. Das gilt vor allem am Ende unserer Kette, hier werden auch im Fair Trade die hoechsten Margen abgegriffen, was schlicht der Realitaet entspricht. Die Rockband oder der Mailorderversand wird seine Gewinne nicht mit dem Baumwollfarmer in Gujarat/Indien teilen. Fair bedeutet hier, dass dieser Artikel mit genau den Mehrkosten, die anstelle eines Shirts von z.B. Fruit of the Loom entstehen, weitergegeben wird. Und nicht auf diese Mehrkosten, mit dem schoenen Fair Siegel, noch zusaetzliche Profite on top erwirtschaftet werden. Konkret heisst das, dass ein Shirt aus dieser Produktion fuer den Endkunden nicht mehr als 2 Euro on Top kosten sollte.

... und wird von Nachfrage und Angebot bestimmt. Hier sind einzig und alleine der europaeische Aufkaeufer in Zusammenarbeit mit seinen Gross-und Einzelhaendlern gefordert. Sie muessen nicht in sengender Hitze auf dem Feld die Ernte einfahren, in den Spinnereien oder Naehereien einen stupiden, oeden Job machen. Ihre einzige Aufgabe ist es die Ware zu verteilen und dafuer zu sorgen, dass die Nachfrage vorhanden ist und bei den heutigen Minianteilen stetig steigt. Das nennt man dann Marketing! Leider klafft hier zwischen Anspruch und Realitaet eine Riesenluecke. Trotz eines Peanutsanteils und grossartigen Verlautbarugnen (Biobaumwolle ist heiss begehrt), positivster Berichterstattung in den Medien, hat es diese Branche in 10 Jahren nicht geschafft, einen signifikanten Markanteil zu besetzten. Das ist peinlich fuer die Westler und tragisch fuer die Menschen, die die Baumwolle anbauen und sich darauf verlassen, dass wir unseren Job wenn schon nicht gut, dann doch wenigstens immer besser machen.

Mittwoch, 14. April 2010

I WANT CASH!


Ich will ein cooles Johnny Cash T-Shirt. Ich will das unbedingt haben. Letztes Jahr hat mir das mein Kollege bei JKP schon versprochen zu besorgen, aber es tut sich nichts. Da ich mir alle Cash Platten auf den Rechner geladen habe, die American Recordings sind schlicht der Hammer (und die letzte VOE, die ich noch nicht habe, will ich sogar kaufen, aber mal schauen...), bin ich bereit fuer das T-Shirt zu bezahlen. Wieviel? Gute Frage, ich weiss zwar was das Teil in der kompletten Herstellung in etwa kostet, aber einen fairen Preis kann ich nur schlecht bestimmen, weil ich ja nicht nur ein Baumwollshirt trage, sondern viel mehr ...

Denke, ich mache das so, wie ich das hier in Indien mache. Hier ist es naemlich so, voellig egal, welchen Preis man aushandelt, er ist IMMER zu hoch. „How much you paid, my friend? Well, I got it for free! For free, that’s craaaaazy, only one? you should have got two not only one piss…” oder “Hi Sir, have a look for free?” Ich lass mich doch nicht verscheissern. Oder “Have a look, very cheap! Cheap? Yes, very cheap! Cheap is bad, cause cheap means cheap quality! Oh no aeh not cheap…” haha reingefallen… so kann man schonmal einen entspannten, lustigen und geruhsamen Nachmittag auf einem Markt verbringen.


Mein Trick, um etwas zu kaufen was ich gerne haben moechte ist der. Ich bezahle soviel (oder etwas weniger) wie es mir wert ist. Dann ist es naemlich auch egal, ob einer meint das waere zu teuer, zu viel, ein rip off... mir war es genau das wert und ich habe es bekommen, basta, no bad vibration...


Also das T-shirt von Johnny Cash waere mir in Indien 300 Rupien wert, wobei ich es auch fuer 150 Rupien bekommen und nehmen wuerde... In Deutschland wuerde ich einen Preis zwischen 15 und 25 Euro zahlen und waere genauso zufrieden. Und was wuerde ich machen, wenn ich mein Johnny Cash Shirt bei KIK fuer 1,99 euro bekommen koennte? Ehrlich? Ich wuerde es klauen!

Donnerstag, 8. April 2010

That's lidlisch...

Liebe Frau Lidl, Lieber Herr Lidl,

zurecht haut man ihnen auf die Fresse, Sie sind ein verlogenes Pack und ihre Propagandabteilung ist voll Schrott, unfaehig, daemlich und duemmer als es ihre Kunden sind. Was soll der Scheiss mit guten Arbeitsbedingungen und fairen Loehnen bei ihren Zulieferern in der Dritten Welt? Ihre Kunden kommen doch nicht in ihren Laden, um sich fuer bloed verkaufen zu lassen, sondern um billigst einzukaufen.

Sie bieten faire Preise auf Harz4 Niveau fuer ihre Kunden. Das waere mal eine Imagagekampagne wert...ehrlich. Bei einer Gewinnmarge von 2-5 % wird niemand, der bei Verstand ist, von Ihnen verlangen, dass sie sich auch nur einen Fliegendreck fuer die Bedingungen in Bangladesh interessieren, oder gar faire und korrekte Bedingungen einfordern, die die Produktionskosten erhoehen und damit den Endverkaufspreis fuer ihre Kunden.

Wer kam denn nun auf diese hirnverbrannte Idee mit dem Lidl ist gut und fair? Habt doch mal Eier in der Hose, seid selbstbewusst, tragt den Kopf hoch, steht zu Eurem Laden so wie er ist!

Ihr Geschaeftsmodell sorgt dafuer, dass ihre Kunden bedenkenlos konsumieren koennen, indem Sie Ware zur Verfuegung stellen, die konkurrenzlos billig ist. Fair, Sauber, Nachhaltig zum Nulltarif gibt es nicht und verlangt absolut niemand von Ihnen. Ja, Sie sollen so bleiben wie Sie sind, sie duerfen das, weil das haben Sie (nicht die Bangladeshis) sich verdient. Ehrlich waehrt am laengsten, oder?

Mit besten Gruessen, Ihr

Miraculix

Es geht auch billig!

Da kommt heute die passende Medlung zum gestrigen Blog. Dazu haette ich dann doch auch noch das ein und das andere anzumerken...denke, dass kommt dann kommende Woche, morgen bin ich in Mumbai und uebermorgen hat "die tollste Frau den Universums" Geburtstag!


Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,687643,00.html

Vorwurf der Ausbeutung
Juristen reichen Hungerlohn-Klage gegen Lidl ein


Lidl gerät erneut in die Kritik. Das Unternehmen wirbt offensiv mit guten Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen bei Zulieferern in der Dritten Welt. Doch diese Botschaft entspricht möglicherweise nicht der Wahrheit. Verbraucherschützer und Bürgerrechtler verklagen jetzt den Discounter.

Berlin - Die deutsche Mittelstandsfamilie schaut wohlgelaunt und gutaussehend in die Kamera. Auf der Internetseite von Lidl bezeugen Oma, Opa, Mutter, Vater und zwei Kinder mit ihrem Lachen, dass die Werbebotschaft der Discountkette stimmt. "Lidl setzt sich für sozialverträgliche Arbeitsbedingungen ein", ist dort zu lesen.

Das Versprechen des Unternehmens gilt auch für die Arbeiterinnen und Arbeiter, die in Bangladesch T-Shirts, Hosen, Jacken und Unterwäsche für Lidl herstellen. "Vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern" will man nach eigenem Bekunden "einen Beitrag zur Verbesserung der Bedingungen in der weltweiten Lieferkette" leisten. Lidl bekennt sich zu einem Verhaltenskodex, der auf den Grundsätzen der Vereinten Nationen beruht. Überlange Arbeitszeiten, Hungerlöhne und Kinderarbeit sind darin verboten.


Was aber passiert wirklich in den Fabriken in Bangladesch, die für Lidl arbeiten?

Im Auftrag von Menschenrechtsorganisationen besuchten Kontrolleure drei Textilfirmen im Umkreis der Hauptstadt Dhaka. Was sie herausgefunden haben wollen, könnte die wohlklingenden Werbesprüche von Lidl in einem anderen Licht erscheinen lassen. Die befragten Arbeiter berichteten demnach, dass beispielsweise die Arbeitszeit oft viel länger und die Löhne geringer seien als erlaubt.

Auf der Basis dieser Untersuchung haben die Juristen der Verbraucherzentrale Hamburg, unterstützt vom European Center for Constitutional and Human Rights und der Kampagne für Saubere Kleidung, eine Klage gegen Lidl beim Landgericht Heilbronn eingereicht. In der Klageschrift heißt es, die Werbung der Handelskette sei "im höchsten Maße unlauter". Sie "suggeriert den Verbrauchern, dass Mindeststandards in den Zulieferbetrieben tatsächlich eingehalten werden. Dies ist nicht der Fall". Das Gericht solle dem Unternehmen deshalb untersagen, seine Werbung weiter zu veröffentlichen.

Sieben Tage pro Woche seien normal

Es ist die erste Klage dieser Art in Deutschland. Juristisch ist es sehr kompliziert, hiesige Unternehmen für ihre Werbung zu Arbeitsbedingungen in anderen Teilen der Welt haftbar zu machen.

Die Kontrolleure haben laut Klage bei ihren Fabrikbesuchen festgestellt, dass die Näher und Näherinnen weitaus länger arbeiten, als die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gestatten. Nach sechs Arbeitstagen muss eigentlich ein freier Tag folgen. Von einigen Ausnahmen abgesehen, würde diese Regel nicht eingehalten. Sieben Tage Arbeit pro Woche seien normal.

Außerdem betrage die Arbeitszeit bei den Lidl-Zulieferern pro Woche bis zu 80 Stunden, argumentieren die Kritiker. Erlaubt sind dagegen maximal 48 Stunden. Zusätzlich sehen die internationalen Standards höchstens zwölf freiwillige Überstunden wöchentlich vor. Auch diese Grenze werde in den Textilfabriken häufig überschritten. Die Arbeiterinnen würden zudem oft zu den Überstunden gezwungen - von Freiwilligkeit könne keine Rede sein.

Auch beim Lohn seien Verstöße gegen die internationalen Standards an der Tagesordnung. So würde den Arbeiterinnen oft ein Teil des Lohns zur Strafe für scheinbare oder tatsächliche Vergehen abgezogen. Dieses Verfahren ist laut ILO-Konventionen ebenfalls nicht gestattet. Über eine der drei Zulieferfirmen schreiben die Kritiker: "Der Lohn reicht nicht aus, um eine durchschnittliche Familie zu ernähren." So habe etwa ein Arbeiter berichtet, "dass seine Kinder abends ohne Essen schlafen gehen müssen".

"Allgemeine Atmosphäre der Unterdrückung und Erniedrigung"

Die Arbeiterinnen erhalten demnach im Monat beispielsweise 2700 Taka, der Währung von Bangladesh. Das entspricht 27 Euro. Umgerechnet auf eine Arbeitszeit von 60 Stunden pro Woche ergäbe dies einen Stundenlohn von elf Euro-Cent. Zum Vergleich: Herrenhemden findet man bei Lidl in Deutschland für 3,99 Euro, Hosen für 5,99 Euro.

Damit ist die Liste der kritisierten Missstände bei den Zulieferern nicht zu Ende. Die Verbraucherschützer und Menschenrechtler werfen Lidl vor, dass die Arbeiter entgegen internationalen Standards keine Möglichkeiten hätten, sich einer Gewerkschaft anzuschließen und mit ihrer Firma kollektiv über den Lohn zu verhandeln. Stattdessen würden Beleidigungen, Schläge und andere Diskriminierungen zum Alltag gehören. "In den Produktionsstätten herrscht eine allgemeine Atmosphäre der Unterdrückung und Erniedrigung", heißt es in der Klageschrift. So würden Frauen gezwungen, ihren Job aufzugeben, wenn sie schwanger seien. Dadurch sparten die Zulieferer Kosten.

Gegenüber SPIEGEL ONLINE äußerte sich Lidl-Sprecherin Petra Trabert nicht zu den konkreten Vorwürfen. Sie erklärte, dass das Handelsunternehmen in der Vergangenheit Berichten über verschiedene Missstände nachgegangen sei. Die Zulieferfirmen hätten dann "Verbesserungen umgesetzt". Zur aktuellen Kritik durch die Verbraucherzentrale könne man erst Stellung nehmen, wenn weitere Kontrollen in Bangladesch stattgefunden hätten. "In diesem Rahmen werden wir die von der Verbraucherzentrale angesprochenen Punkte eingehend überprüfen lassen", erklärt Trabert.

Lidl will sein Image aufpolieren

Der Ruf des Unternehmens Lidl hat in den vergangenen Jahren gelitten. Der Einzelhändler ließ seine Beschäftigten in Deutschland ausspionieren, Gewerkschaften kritisierten, dass Lidl kaum Betriebsräte in seinen Filialen dulde. Um sein Image aufzupolieren, ist das Unternehmen vor geraumer Zeit in die Offensive gegangen. Mittlerweile findet man einige fair gehandelte Waren in den Regalen, ein Anwalt nimmt sich der Beschwerden von Beschäftigten an, und der Chef des Aufsichtsrats schlug unlängst vor, einen Mindestlohn für den Einzelhandel zu vereinbaren.

Um zu belegen, dass sein Engagement für bessere Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern in der Dritten Welt ernst gemeint sei, weist Lidl auf seine Mitgliedschaft im Europäischen Programm für Sozialstandards (BSCI) hin. Diesem gehören Hunderte Textil- und Handelsunternehmen an, beispielsweise auch Metro und Otto. Ihr gemeinsames Ziel ist es, minimale Sozial- und Ökostandards in den weltweiten Zulieferketten durchzusetzen, unter anderem das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit.


Mit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), einer bundeseigenen Entwicklungsorganisation, betreibt Lidl außerdem ein Kooperationsprojekt in Bangladesch. Der Discounter hat die GTZ beauftragt, die Arbeitsbedingungen in 73 Zulieferfirmen zu verbessern. Darunter sind auch mindestens zwei der drei Firmen, deretwegen die Verbraucherzentrale jetzt klagt.

"Lidl hat ein Interesse daran, die Schwächen abzustellen", sagt GTZ-Sprecher Hans Stehling. "Wenn schon alles in Ordnung wäre, müsste die GTZ nichts tun." Außerdem, so Stehling, könne man nicht jedes Problem dem Unternehmen anlasten. So müssten und wollten die Näherinnen in den Zulieferbetrieben erfahrungsgemäß möglichst viele Überstunden ableisten, um mehr Geld für ihre Familien zu haben.

Mittwoch, 7. April 2010

Schlachtvieh stirbt and Money Must be Funny


Meldung aus Stern-Online von heute: So qualvoll stirbt Schlachtvieh: Dreieinhalb Millionen Rinder und 56 Millionen Schweine wurden in Deutschland 2009 geschlachtet.

Wieviel Einwohner hat Dland nochmal…?...rund 80 Millionen, aha….

Wieviele von diesen Rindern und Schweinen kamen aus oeko Betrieben und starben gluecklich?


Ist es nicht schlimmer ein glueckliches Schwein zu schlachten und zu essen als ein unglueckliches…obwohl glueckliches Fleisch besser schmeckt…?

Hat nun jeder Buerger im Schnitt ein dreiviertelvomganzen Schwein verzehrt im Jahr 2009…also Babies, Muslems, und Veganer eingerechnet?

Wieviel Arbeitsplaetze (immer ein wichtiger Punkt in der Argumentation) stellt die deutsche Schlachtindustrie? Wuerde das AbendMittagundMorgenland versinken, wenn wesentlich weniger Fleisch verzehrt werden wuerde? (An die Fleischesser: Damit wuerde der CO2 Austoss allerdings so weit runtergefahren, dass ihr alle, ohne schlechtes Gewissen, den zweit Suff aehh SUV fahren koenntet… Argument?)

Oder geht es bei den oben genannten Zahlen, wie bei ALLEM und IMMER, um das einzige was zaehlt: Money, money, money Must be Funny In the rich man's world


Genug des Sarkasmus…es ist Mitte April und es ist hot, very hot…das ist die Jahreszeit in Indien, wo alle etwas unentspannter sind… und ich sitze nicht in einem AC Buero. AC gibt es nur im Geburtsraum (www.birthing-center.com), obwohl meine Familie gerne auch einen privaten AC Raum haette. Lehn ich aber ab, sollen die sich doch ins Auto setzen und eine Runde mit AC fahren…shantibrother! reiss dich zusammen…genug des Sarkasmus…

Unternehmen jedweder Art (Fleischindustrie, Metalindustrie, Energiewirtschaft oder Produzenten von T-Shirt) wollen und “muessen” immer mehr Geld verdienen und immer mehr Profit machen. Es gehoert nicht zu ihren Aufgaben, die Welt zu retten, Hunger zu verhindern, Resourcen zu schonen, Kriege zu vermeiden, sauberes Trinkwasser fuer alle zur Verfuegung zu stellen oder nachhaltig und mit Respect zu wirtschaften…

Ob Nestle, Bayer, Daimler, Toyota, Monsanto, Tata oder die Deutsche Bank. Die Aufgabe lautet einzig und allein, fuer die Profitmaximierung die noetigen Voraussetzungen im vorherrschenden System zu schaffen. Konkreter gesagt, mit dem geringsten Aufwand und den niedrigsten Kosten die hoechstmoeglichen Profite zu erzielen.


Skrupel, ein Gewissen, or in India a bad karma, sind da nicht zweckdienlich und damit unangebracht. Was zaehlt sind die Quartalszahlen...Punkt!... das ist so und das kann man den Mitarbeitern dieser Multies schwerlich vorwerfen, weil das System genau dies verlangt… Wachstum mit allen Mitteln.


Sich diesem System als Unternehmen voellig zu entziehen ist (heute) schlicht nicht moeglich. Der Turbokapitalismus traegt nun mal den Weltmeisterguertel aller Klassen, das haben die ehemaligen Sowjetbuerger genauso schnell verinnerlicht und umgesetzt, wie die Chinesen oder sogennannte ehemalige Blockfreie, wie Indien oder Brasilien.

Ich kenne auch keine kleine Firma, die sich dem entziehen koennte. Unternehmen, ist wie gegen einen Fluss schwimmen und umsoweiter man voran schwimmt, umso staerker wird die Stroemung. Anders gesagt, dieses heute gueltige Wirtschaftssystem erlaubt es nicht, an einem Punkt zu sagen…hier halte ich, es reicht mir, das Einkommen ist in Ordnung und an dieser Stelle bin ich zufrieden und auf genau diesem Level produziere ich weiter. Alle die an diesen Punkt kommen und das versuchen, werden von der Stroemung zurueckgeworfen und gehen in die “unverdiente” Insolvenz oder sind “clever” und verkaufen…das Rennen Richtung Wasserfall geht aber auf alle Faelle weiter…

…oder sollte man nicht doch einfach die Chance nutzen die man nicht hat…koennte Spass machen, den "Roemern" auf die Fresse zu hauen, oder?...

Montag, 5. April 2010

Times They Are a Changing ???

Come gather round people wherever you roam
And admit that the waters around you have grown
And accept it that soon you'll be drenched to the bone
If your time to you is worth saving
Then you'd better start swimming or you'll sink like a stone
For the times, they are a changing

Come writers and critics who prophesize with your pens
And keep your eyes open, the chance won't come again
And don't speak too soon, the wheel's still in spin
And there's no telling who that it's naming
Oh the loser will be later to win
For the times, they are a changing

Come senators, congressmen, please head the call
Don't stand in the doorway, don't block up the hall
For he that gets hurt will be her that has stalled
The battle outside ragging will soon shake your windows
And rattle your hall
For the times, they are a changing

Come mothers and fathers all over this land
And don't criticize what you can't understand
Your sons and your daughter are beyond your command
Your old role is rapidly aging
Please get out of the new one if you can't lend a hand
For the times they are a changing

The line, it is drawn, the curse, it is cast
The slow one will later be fast
And the present now will soon be the past
The order is rapidly fading
The first one now will later be last
For the times, they are a changing

2010

Quelle: http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/asien-und-ozeanien/Schon-180000-Tote-im-Selbstmordguertel/story/17116890

Schon 180'000 Tote im «Selbstmordgürtel»


Das Schild bietet sämtliche Häuser und Tiere zum Verkauf an: Ein Dorf in der bitterarmen Region Vidarbha.

Erneut haben Dutzende Bauern in Indien Selbstmord begangen: Nach einer verheerenden Missernte nahmen sich binnen zehn Tage in der indischen Region Vidarbha mehr als 30 Baumwollfarmer das Leben.

Die meisten Landwirte seien hoch verschuldet gewesen und hätten aufgrund der Ernteausfälle sowie stark gefallener Preise für Baumwolle keinen Ausweg mehr aus der Krise gesehen, berichtet der Sender NDTV am Sonntag.

«Es gab Mahnungen von der Bank. Örtliche Kredite mussten beglichen werden. Wir haben sogar versucht, unsere Ochsen zu verkaufen, aber es gab keine Interessenten», sagte der Bauer Baba Tekam, dessen Sohn Laxman zu den jüngsten Selbstmordopfern gehört.

«Selbstmordgürtel»

Die vom Baumwollanbau geprägte Region Vidarbha liegt etwa 600 Kilometer nordöstlich der Metropole Mumbai. Aufgrund des Freitods Tausender Bauern ist Vidarbha in der Vergangenheit immer wieder als «Selbstmordgürtel» Indiens in der Schlagzeilen geraten.

Nach Angaben der indischen Regierung haben sich seit 1997 landesweit etwa 180'000 meist hoch verschuldete Bauern das Leben genommen. Die jüngste offizielle Zahl stammt aus Jahr 2007, in dem 16'600 Bauern den Freitod wählten. 2006 waren es mehr als 17'000 Selbstmorde.

Hilfspaket nur für Bankkredite

Die indische Regierung hatte bereis Anfang 2008 ein umgerechnet knapp 10 Milliarden Euro umfassendes Hilfspaket für den Agrarsektor verabschiedet, mit dessen Hilfe 30 Millionen Kleinbauern die Schulden erlassen werden sollten.

Bürgerrechtler kritisieren jedoch, dass das Programm nur Kredite bei Banken einschliesst, nicht aber bei örtlichen Geldverleihern. Daher könne bislang nur ein Bruchteil der betroffenen Bauern von der Schuldentilgung profitieren.

Geldverleiher in Indien verlangen für Kredite an Bauern meistens Wucherzinse. Den in der Kreide stehenden Bauern gelingt es dann kaum mehr, aus der Schuldenfalle zu entkommen. Kommt dann noch eine Missernte dazu, sehen sie dann keinen anderen Ausweg als den Selbstmord.

2006

(Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,446922,00.html)

Selbstmord-Serie
Tausend indische Bauern gehen in den Tod

Aus Bangalore berichtet Thomas Schmitt

Alle acht Stunden bringt sich in einer indischen Agrar-Provinz ein Bauer um. Diese neue schockierende Statistik lenkt den Blick auf die Globalisierungverlierer in der Boom-Ökonomie: Indiens Landwirte leben in unfassbarem Elend - als letztes Mittel des Protests wählen sie den Selbstmord.

Bangalore - Es sah aus wie ein ganz normales Abendessen, das Ramesh Rathod zu sich nahm. Reis, ein wenig Dahl - sonst nichts. Plötzlich musste er sich übergeben. Wieder einmal hatte er den ganzen Tag nicht gegessen. Doch das war nicht der Grund für seine Übelkeit. Ramesh hatte seinem Essen Pestizide beigemischt. Absichtlich. Selbstmord beim Abendbrot.

Bauern-Waisen in Indien: Der Vater hat sich umgebracht - die Familie muss sich überschuldet durch das Leben kämpfen
Seine Freunde brachten ihn noch eilig ins nahe Krankenhaus. Aber es war zu spät.

Als Ramesh starb, besaß seine Frau Dharmi keine einzige Rupie. Noch heute, ein Jahr nach dem Selbstmord, ist sie fassungslos. "Alles, was ich weiß, ist: Einen Tag, bevor sich mein Mann umgebracht hat, ist ein Bankangestellter zu unserer Hütte gekommen." Nein, sagt sie, "ich habe keine Ahnung, wie viele Kredite Ramesh aufgenommen hat." Dharmi weiß nicht, wie sie die Kredite zurückzahlen soll, außerdem ihre zwei Kinder ernähren und die zwei Hektar Land bewirtschaften, die ihr Mann hinterlassen hat. Eigentlich versteht sie nichts von Landwirtschaft. Sie war vor allem für die Erziehung der Kinder zuständig. Dharmi musste ihre Verwandten um Hilfe bitten - damit sie nicht völlig allein dasteht.

Ramesh Rathods Selbstmord ist bei weitem kein Einzelfall. In der Provinz Vidarbha im Nordosten des Staates Maharasthra nimmt sich statistisch gesehen alle acht Stunden ein Landwirt das Leben. Das hat die Selbsthilfegruppe "Vidarbha Jan Andolan Samiti" errechnet; kürzlich meldete sie den 1000. Bauern-Selbstmord wegen Überschuldung seit Mitte 2005. Andere Schätzungen gehen sogar schon von 1100 Selbstmorden aus.

Der Baumwoll- und Orangenbauer Jitendra Tatte aus Lehegaon im Amaravati-Distrikt kennt das Elend der indischen Landwirte aus eigener Erfahrung. Er ist verbittert: "Es gibt keinen großen Unterschied zwischen jenen, die sich schon umgebracht haben, und jenen, die noch am Leben sind." Sein Kollege J. Madhavgir aus Akola drückt es so aus: "Zuhause haben wir kein Essen und keine Kleider zum Anziehen. Wir sind hungrig und rennen herum wie streunende Hunde." Er habe sein Land verkauft, sagt er, aber "ich finde keinen Job - weil keiner mehr Geld hat, einen Landarbeiter zu beschäftigen".

Hauptfeind ist die Regierung in Neu-Delhi

Ob es um den Anbau von Baumwolle, Sojabohnen oder Orangen geht - Maharashatras Landwirtschaft steht in allen Bereichen vor einem weiteren Jahr mit gigantischen Umsatzverlusten. Für die Bauern kommt alles zusammen.

Da sind die Probleme mit der Natur: Lehegaon war einst Indiens Hauptgebiet für Orangenanbau, doch seit fünf Jahren ist der Grundwasserspiegel dort so weit abgesunken, dass Orangenanbau kaum mehr möglich ist.

Dazu kommt die Politik der Zentralregierung in Neu-Delhi, die die Bauern als Hauptfeind ausgemacht haben. Sie hat auf Druck der WTO die Importzölle und die Subventionen heruntergefahren. Nun müssen die Bauern mit Anbietern aus der EU und den USA konkurrieren. Deren Agrarprodukte werden aber durch Zölle geschützt und in Milliardenhöhe subventioniert.

Das Ergebnis ist der beispiellose Verfall einer Branche, die in Indien ungemein viele Menschen ernährt. Baumwolle zum Beispiel wurde einst als weißes Gold gehandelt. Der schwarze, nährstoffreiche Boden in der sonst weithin armen, rückständigen Region Vidarbha war bestens zur Kultivierung geeignet. Noch 1970 erzielte ein Quintal (1000 Kilogramm) den Gegenwert von zwölf Gramm Gold. Doch durch die Liberalisierung des Landes Anfang der neunziger Jahre verlor Baumwolle schnell an Wert. Die Freigabe der Düngemittel- und Saatgutpreise trieb die Produktionskosten in die Höhe, parallel sanken die Einnahmen der Bauern immer weiter. Die Einfuhr billiger Baumwolle aus den USA, China und Pakistan drückte den Abnahmepreis unter die eigentlichen Produktionskosten.

Baumwolle weniger geschützt als Zucker oder Reis

"Im Interesse der Industrie hat Indien seine Zollgrenzen geöffnet - obwohl die Landwirtschaft dafür nicht vorbereitet war", sagt Vijay Jawandhia, Wirtschaftswissenschaftler und Sprecher von "Shetkari Sanghatana", einer Aktivistengruppe der Baumwollbauern. Er zielt damit einen kritischen Punkt der indischen Liberalisierung. Derzeit beträgt der Einfuhrzoll auf Baumwolle 15 Prozent - für Zucker dagegen zum Beispiel 60 Prozent, für Reis 80 Prozent. Dazu kommt, dass die Landwirtschaft jahrelang vernachlässigt wurde. Bauern wurden durch staatliche Abnahmegarantien zufriedengestellt. Diese Politik macht es den Bauern heute fast unmöglich, der Weltkonkurrenz zu begegnen.

Zur Geschichte ihres Niedergangs gehört auch, dass einige wenige Inder durch die Krise gewonnen haben. Vor allem die Zwischenhändler hätten vom Preisverfall profitiert, sagt Jawandhia. Vor zehn Jahren lag der Preis für Baumwolle auf dem Weltmarkt noch bei zwei Euro pro Kilogramm. "Jetzt ist er auf unter 40 Cent gesunken." Dennoch habe sich der Stoffpreis erhöht: "In den Shops hat man früher den Meter Stoff für 70 Cent verkauft. Heute muss man über 1,40 Euro dafür bezahlen." Das meiste streichen die Zwischenhändler ein.

Aus Verzweiflung zu privaten Geldverleihern

Viele Bauern dagegen müssen in der Krise ihr Heil in Krediten suchen - und verschulden sich bei privaten Geldverleihern mit Wucherzinsen, weil günstigere Kredite bei Banken für sie nicht zu haben sind. "Wie soll ich einen neuen Kredit aufnehmen?", fragt Dilip Choudhary, ein Baumwollbauer aus Washim. "Ich besitze zwei Hektar Anbaufläche und benötige 18.000 Rupien, um Saatgut zu kaufen. Die Bank hat mir gerade mal 5000 Rupien gegeben. Was soll ich denn damit anfangen?"

Es gibt Farmer mit 20 Hektar, denen man lediglich 12.000 Rupien bewilligt hat. Und das, obwohl die Regierung günstige Saatgutkredite unter dem üblichen Marktzins angeboten hat. Doch wurde das Geld erst freigegeben, als die Zeit der Aussaat fast vorbei war. So haben nur wenige von den zinsgünstigen Kleinkrediten der Genossenschaftsbanken profitiert. Den meisten Bauern blieb nichts anderes übrig, als bei privaten Geldverleihern immer weitere Kredite zu Wucherzinsen aufzunehmen - die teilweise bis zu 150 Prozent betragen.

Die meisten privaten Geldverleiher sind zugleich die größten Landbesitzer, Händler - oder beides zugleich. "Die Farmer müssen von diesen Geldverleihern loskommen", sagt B. L. Mungekar, Mitglied der Planungskommission und Landwirtschaftsexperte. Das Problem ist nur: Private Geldverleiher arbeiten viel unbürokratischer als die Banken - und geben auch noch Geld, wenn Kreditinstitute schon Nein sagen. Mungekar: "Wenn die Sache dann schiefgeht, wählen die Bauern den Selbstmord. Oder sie geraten in totale Abhängigkeit."

Ruin durch genverändertes Saatgut

Die Not der Bauern hat sich in den vergangenen Jahren noch dadurch verschlimmert, dass sie auf den Feldern immer mehr Pestizide gegen Schädlinge einsetzten - um der Konkurrenz mit niedrigen Kosten zu begegnen. Falscher Gebrauch der chemischen Hilfsmittel führte jedoch dazu, dass Schädlinge resistent wurden, die Böden ausgelaugt wurden und die Erträge sanken.

Dieses Problem sollte das genveränderte Baumwoll-Saatgut namens "Bacillus-thuringiensis-Cotton" lösen. Doch die Pflanzenkeime, die der Saatgut-Multi Mahayco-Monsanto Biotech vor vier Jahren eingeführt hat, sind dreimal so teuer wie konventionelle Samen. Heute gelten sie als Flop für die Bauern: "Alle Ankündigungen von Monsanto waren irreführend. Die aggressive Markteinführung vor drei Jahren hat Hunderte Bauern in den finanziellen Ruin getrieben", sagt R. V. Ramanjaneyulu vom Center for Sustainable Agriculture, einer Nicht-Regierungsorganisation. Monsanto dagegen verweist auf die "schwierigen klimatischen Bedingungen", die auch herkömmlichen Baumwollpflanzen geschadet hätten.

Was nun? Das Anbauprodukt wechseln? Die Bauern sind ratlos. Vor wenigen Jahren brachte der Anbau von Pfeffer noch 270 Rupien pro Kilogramm. Heute haben die Pflanzer Schwierigkeiten, mehr als 60 Rupien zu bekommen. Vanille, einst mit 4000 Rupien pro Kilo gehandelt, muss heute für 130 Rupien abgestoßen werden. Die Situation der Kaffeeanbauer im südindischen Kerala ist keineswegs besser: Sie erzielen heute einen Preis von 24 Rupien pro Kilo - vor ein paar Jahren bekamen sie durchschnittlich fünfmal so viel.

Armut auf dem Lande, Reichtum an der Börse

Die Selbstmordrate der indischen Bauern wird in den wenigsten Medien des Landes erwähnt. Als sich in Vidarbha der 1000. Bauer wegen Überschuldung das Leben nahm, schauten alle auf die Börse in Bombay - dort hatte der indische Aktienindex erstmals die 13.000-Punkte-Grenze übersprungen.

Dass beides nahezu zeitgleich geschah, charakterisiert auf bizarre Art, wie es um Indiens neue Wirtschaftswunderwelt bestellt ist: Die Wirtschaft wächst mit beachtlichen Raten, die Börse boomt - aber weniger als zwei Prozent aller Haushalte in dem südasiatischen Land investieren überhaupt Geld in Aktien. Jeder zweite Inder kann nicht richtig lesen und schreiben. Das Land feiert seine Industriekönige und Software-Ingenieure. Doch zwei Drittel aller Beschäftigten finden ihr Auskommen in der Landwirtschaft. Die Verlierer nimmt kaum jemand wahr.

Aktivist Jawandhia träumt von Europa: "Dort bekommen die Bauern zwei Euro am Tag, um ihre Kühe zu füttern. Hier rackern wir uns tagein, tagaus auf unseren Feldern ab und verdienen nicht mal einen Euro." Jawandhia spottet: "In unserem nächsten Leben sind wir lieber Kühe in Europa als Bauern in Indien."

2004



(Quelle: http://www.cbgnetwork.org/Ubersicht/Zeitschrift_SWB/SWB_2004/SWB_01_2004/Pestizide___Indien/pestizide___indien.html )

Die Spur des Giftes

BAYER-Pestizide im Baumwoll-Anbau

In schrottreifen indischen Fertigungsstätten lässt BAYER anderswo längst verbotene Pestizide herstellen. Die Baumwoll- FarmerInnen des Landes versprühen die Agrochemikalien in rauhen Mengen und verschaffen den Mitteln damit Eintritt in die gesamte Kette der Kleidungsproduktion. Die LandwirtInnen haben unter ihrer Wirkung dann genauso zu leiden wie die PflückerInnen und die WeiterverarbeiterInnen in den Kleider- Fabriken. Sogar die fertige Kleidung in den Geschäften von C&A, METRO oder H&M weist noch Chemie-Rückstände auf. Diese Spuren des Giftes hat der Film "100 Prozent Baumwolle - Made in India" von Inge Altemeier und Reinhard Hornung minutiös nachgezeichnet.

Von Axel Köhler-Schnura und Jan Pehrke

"Pestizide und Baumwoll-Anbau - das gehört für mich einfach zusammen. Wir setzen viele Pestizide ein, aber Monocrotophos ist nicht gefährlich. Da brauche ich mich nicht vor zu schützen", sagt der indische Kleinbauer Anand. Ohne Spezial-Kleidung versprüht er das BAYER- Produkt deshalb Tag für Tag und zusätzlich nach jedem Regen. Seine allabendliche Benommenheit, Übelkeit und lahme Zunge führt er nicht auf die Agro-Chemikalie zurück. Anand weiß nichts von der Gefährlichkeit der Substanz aus der Gruppe der Phosphorsäureester. Als Analphabet entgehen ihm die Warnhinweise auf den Behältern. Auch die Dosierungsvorschriften kennt der Landwirt nicht. Er richtet sich beim Gebrauch des Monocrotophos allein nach dem Schadinsekten- Aufkommen. Und das wächst beständig. Die Pflanzen sind enorm anfällig für Würmer und Insekten. So fordert die über Jahre gepflegte Monokultur ihren Tribut. Nirgendwo sonst auf der Welt werden so viele Pestizide ausgebracht wie im Baumwoll-Gürtel von Andhra Pradesh. Es gibt Heere von professionellen SprüherInnen auf den Feldern, die rund um die Uhr Tag für Tag - ohne jeden Schutz - sprühen und beim Nachfüllen ihrer auf den Rücken geschnallten Behälter regelrecht in den Giften baden. Mit verheerenden Folgen: In der Hauptsaison behandeln die MedizinerInnen des Bezirkskrankenhauses täglich bis zu 50 Vergiftungsfälle.

Noch dazu setzen sich viele der FarmerInnen in dem Glauben "Viel hilft viel" ganz umsonst einem solchen Gesundheitsrisiko aus, denn viel hilft es nicht. Die meisten Schad-Insekten und -Würmer sind nämlich längst immun gegen Monocrotophos. Etliche LandwirtInnen verloren deshalb ihre gesamte Ernte. 700 von ihnen haben sich im vergangenen Jahr umgebracht - "Sie tranken das Gift, das die Schädlinge nicht töten konnte" heißt es im Film.

Anand büßte zwei Drittel seiner Baumwoll-Erträge ein. Seit neuestem benutzt er deswegen noch zusätzlich BAYERs AVANT. Umgerechnet 70 Euro hat er dafür bezahlt. Da seine Baumwolle ihm durchschnittlich nur jährlich 100 Euro einbringt, hat er einen Teil seiner Ernte schon von vornherein an seinen Pestizid-Händler verpfänden müssen. Gerade mal zwei Säcke bleiben dem Bauern zum freien Verkauf auf dem Markt von Warangal noch übrig. Und in diesem Jahr bekommt er weniger als früher dafür. Die lange Dürre hat die Qualität beeinträchtigt. Zudem weitet sich der Anbau - nicht nur in Indien, sondern auch in Afrika - immer weiter aus, und diese Überproduktion drückt die Weltmarkt-Preise. Vor acht Jahren, als Anand ganz auf Baumwolle umstellte, war das noch nicht absehbar. Vom "weißen Gold" war damals viel die Rede, weil die Weltmarktpreise von Baumwolle weit über denen von Getreide oder Reis lagen. Aber das ist lange her.

Profitiert hat von dem Baumwoll-Boom nur einer: der den indischen Agrochemie-Markt zu 80 Prozent beherrschende Leverkusener Konzern. Er hat sich damit ein lukratives Absatz-Gebiet für seine in der Bundesrepublik und anderen Industrieländern aufgrund ihrer Gefährlichkeit längst verbotenen Alt-Pestizide erschlossen. Trotzdem stellt der zuständige BAYER/India-Manager, S. Venkata Pathi, das Unternehmen mit Unschuldsmiene zynisch als Getriebenen dar: "Der Markt zwingt uns dazu, weiterhin Monocrotophos, Finalphos und so weiter zu liefern. Die Nachfrage kommt von unseren Großhändlern. Das ist zwar eine Übergangslösung, denn wir produzieren sie nicht. Trotzdem müsssen wir uns nach dem Markt richten und unsere Händler beliefern".

BAYER produziert Monocrotophos & Co. nicht selber, BAYER lässt sie unter katastrophalen Bedingungen von Vertragsfirmen produzieren, womit der Leverkusener Chemie-Multi sich aus der direkten Verantwortung stehlen will. Schrottreife Anlagen in der Industrie-Region von Vapi dienen als Fertigungsstätten. Durch die offenen Verschläge, die rostiges Wellblech an den Seiten notdürftig vor Regen-Einfall schützt, pfeift der Wind. Vor den Fabriken türmen sich Berge von Sondermüll. Mit bloßem Auge ist nicht zu erkennen, welches Werk stillgelegt und welches noch in Betrieb ist. Sie sehen alle gleich gespenstisch aus. Ein Chemie- Park als Geister-Stadt - die Wahrheit über die Marketing-Lügen von weltweiter "Verantwortung und ökologischer Vorsorge" Sozusagen "Responsible Care" (ein mit Copyright versehenes internationales PR-Programm der Chemie-Multis) auf indisch. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass BAYER oder AVENTIS hierher kommen, weil es soviel billiger ist, hier zu produzieren. Und das ist so, weil sie ihre Abwässer nicht klären und die Abfälle nicht entsorgen müssen", empört sich Michael Mazgaonkar von der indischen Umweltschutz-Gruppe PSS. Ihre Schmutz-Fracht leiten die Firmen einfach in die kommunale Kläranlage. Deren Bau hat die Weltbank bezuschusst. Sie hat auch für die Anbindung Vapis an das Verkehrswege-Netz gesorgt. Schließlich müssen die Chemie-Antiquitäten ja so schnell wie möglich Anschluss an den Weltmarkt finden. Da Vapi ein rechtsfreier Raum ist, für den keinerlei Umweltschutz-Auflagen gelten, ist der halbe Landstrich verseucht. Chemie-Unfälle gehören zur Tagesordnung und gehen schon in die Kalkulation der Unternehmen ein. Wenn 's irgendwo knallt, beziehen die Firmen einfach den nächsten Schrott-Bau oder zimmern sich schnell etwas zusammen.

InteressentInnen für die chemischen Zeitbomben gibt es genug. Überall auf der Welt existieren arme Baumwoll-FarmerInnen, die sich die neueren, weniger toxischen Mittel nicht leisten können. Über LandwirtInnen wie Anand gelangen die Gifte dann in die gesamte Kette der Kleidungsproduktion. Zunächst schädigt er sich beim Ausbringen der Agro-Chemikalien selbst. Danach bringen die PflückerInnen ihre Gesundheit in Gefahr. Anschließend trifft die Wolle zur Weiterverarbeitung in der Kleider-Hochburg Tirupur ein, wo sich die Textil-ArbeiterInnen den Substanzen aussetzen. Dazu kommt für sie noch eine Extra-Portion Chemie durch das Bleichen und Färben. Viele Beschäftigte klagen deshalb über Schwindelanfälle, Übelkeit oder Lähmungserscheinungen. Aber nicht nur sie, der ganze Ort leidet unter der Chemikalien-Überdosis. Täglich fallen in der Fabrik Zehntausende Liter Abwässer an, die das Grundwasser verunreinigt und die Flüsse verseucht haben. Trinkwasser ist deshalb ein kostbares Gut. Tankwagen schaffen es von fern heran, und die Preise liegen hoch. "Das Wasser, das ich zum Kochen benutze, muss ich kaufen und es ist sehr teuer. Jetzt verbrauchen wir schon ein Drittel meines Lohnes einfach nur für Wasser", sagt eine Textil-Arbeiterin. Nur die Gesundheit stellt in Tirupur ein noch kostbareres Gut dar: Die durchschnittliche Lebenserwartung bewegt sich bei 35 Jahren.

Aber auch hier verliert sich die Spur der Pestizide noch nicht. In die Fasern der fertigen Kleidung eingedrungen, kehren sie in das Heimatland von BAYER zurück und landen in den Auslagen von C & A, Metro oder H & M. Für so manche/n KäuferIn erweisen sie sich dann aufgrund der allergie-auslösenden Wirkung der Chemikalien, die der Körper über die Haut aufnimmt, als untragbar, womit sich der Teufelskreis des Giftes schließt.

Freitag, 2. April 2010

Studie über Kleidung/Artikel aus TAZ 02.04.10

Studie über Kleidung
Sechs Kilo Chemie für ein Kilo T-Shirt

Eine neue Studie zeigt, wieviel Chemie für Herstellung und Reinigung unserer Kleidung eingesetzt wird. Die schwedische VON REINHARD WOLFF
Chemiebehörde will Verbrauchern helfen. VON REINHARD WOLFF

STOCKHOLM taz | Wieviel Chemie steckt eigentlich in einem T-shirt, einer Jeans, einer Fleece-Jacke? Diese Frage stellte sich die staatliche schwedische Chemikalienbehörde. Die erstaunliche Antwort einer jetzt veöffentlichten Studie: In einem Kilo Textilien können mehr als 6 Kilo Chemie stecken. Ein gewöhnliches T-shirt aus reiner Baumwolle kann es in seinem Lebenszyklus von der Faser bis zur Mülltonne auf eine Chemiekalienbilanz entsprechend seines vierfachen Eigengewichts bringen.

Fünf Warengruppen liess die "Kemikalieinspektionen" untersuchen: T-shirts, Jeans und Arbeitshosen je aus reiner Baumwolle, dazu Fleece- und Viskose-Jacken. Produkte, die in Schweden für 69 Prozent des gesamten jährlichen Textilmarkts stehen. Wenig verwunderlich: Aufgrund des Herstellungsprozesses der Viskosefasern ist dieses Material der schlimmste Chemieschlucker mit 5 bis 7 Kilo pro einem Kilo Textil.
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Jeans und T-shirts liegen je nach untersuchtem Produkt vergleichsweise zwischen 1,5 und 4 Kilo. Eine recht weite Spanne, die, so die Behörde, auch beweise, dass es teilweise noch ein erhebliches Einsparungspotential gibt.

Die Berechnungen der Studie beginnen bei der Faserherstellung. Was Baumwolle angeht werden auch Kunstdünger und Schädlingsbekämpfungsmittel beim Anbau berücksichtigt. Bei der Produktion der Garne kommen beispielsweise Öle, Tenside, Natronlaugen, Bleichmittel zum Einsatz, bei der Färbung und Nachbehandlung Pigmente, Wasch- und Imprägnierungs-mittel.

Kommt noch Verpackung und Transport - Formaldehyd als Konservierungsmittel, Dimethylfumarat gegen Schimmelpilze, Ausgasung der Container gegen Schadensinsekten - hinzu und die Waschmittel für den Lebenszyklus von Jacke, Hemd und Hose. Hier ging man von 50 Waschgängen aus. Bei einem T-shirt kam man so beispielsweise auf eine Liste mit 22 Gruppen von Chemikalien.

Die Mengenrechnung allein könne keine Aussage über die Gefährlichkeit der eingesetzten Chemikalien liefern, betont "Kemikalieinspektionen". Tatsächlich würden solche mit nachgewiesen besonders negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, wie verschiedene Pigmente, Formaldehyd und Schädlingsbekämpfungsmittel mengenmässig nur einen relativ kleinen Teil des Chemiecocktails ausmachen, der für Textilien verbraucht würde. Eine toxische Einwirkung auf die Umwelt haben aber nahezu alle.

Mit der Studie will die Chemiebehörde ein Bewusstsein für die umfassende Chemikalienanwendung mit ihren Auswirkungen auf Menschen und Umwelt vor allem in den Herstellungsländern schaffen. Da Handel und KonsumentInnen hier vielfältige Möglichkeiten der Einflussnahme haben könnten, wolle man auch Grundlagen für eine Debatte liefern, welche Informationen die VerbraucherInnen benötigen würden, um eine bewusstere Konsumwahl bei solchen Alltagsprodukten treffen zu können.