Habe gestern einen sehr interessanten Artikel gelesen. “Der weisse Berg” behandelt die Problematik eines Ueberangebotes von Biobaumwolle und wie dies die auf Bio umgestiegenen Kleinbauern unter Druck setzt. Hier eine unverbindliche Zusammenfassung.
Quelle:
Brand Eins - Wirtschaftsmagazin, Heft 02, Feb. 2010, S. 29-32
den ganzen Artikel gibt es unter: http://www.abisz.genios.de/r_sppresse/daten/presse_be/20100129/be.011029008.html
Die weltweit rund 222.000 Biofarmer haben ein Problem schreibt die Nonprofit Organisation Organic Exchange. Die Lager mit Biobaumwolle sind noch nicht geleert und fuer dieses Jahr wird eine Ernte erwartet, die mit rund 60.000 bis 90.000 Tonnen ueber dem Bedarf liegt, was laut Bericht in etwa dem Jahresverbrauch entspricht.
Dies verwundert, denn man liest doch allerorts, dass Bio, trotz Krise, im Aufwind ist. Richtig, trifft aber vor allem auf den Lebensmittelsektor zu. Der Anteil von Biobaumwolle am Gesamtmarkt liegt nachwievor bei ca. 0,5 % und hat in den letzten Jahres nicht merklich zugenommen. Trotz eines Hypes im Westen, der hoehereZahlen suggeriert, liegt dieser winzige Anteil noch ueber der Nachfrage. Das Angebot an Bio wurde erhoeht, ohne das die Nachfrage im gleichen Masse gestiegen waere.
Dieses Missverhaeltniss schlaegt sich im aktuellen Preis fuer Biobaumwolle wieder. Es scheint nicht mehr zwingend, dass fuer Biobaumwolle merklich hoehere Preise erzielt werden. Damit schwindet auch entscheidenter Grund, weshalb Farmer auf Bio umstellen sollen. Das Angebot hat sich vom Markt entkoppelt. Die Zeche zahlen die Bauern, denen man schwerlich vorwerfen kannn, dass sie die Marktlage nicht erkennen.
Im Gegensatz zu Lebensmittel unterliegt die Baumwolle einem extrem langen Prozess, bevor sie beim Endverbraucher im Laden steht. Aussaat, Ernten, entkernen, Pressen, spinnen, faerben, weben, naehen… Diese langen und aufwendigen Prozesse machen eine serioese Zertifizierung schwierig. Um Transparenz zu schaffen, bieten verschiedene Organisationen Produktlabel und Siegel, mit entsprechenden Standarts an, die dem Verbraucher sicher stellen sollen, dass dieses Produkt die hoehen Umwelt und sozialen Standart erfuellt.
In der Praxis ist dieses aufwendige System nur schwer lueckenlos zu kontrollieren. Dies beguenstigt Betrug, Spekulation, hohe Kosten von der Farm bis zum Laden und damit die Attraktivitaet des Systems fuer die einzelnen Mitspieler, die alle ein Interesse daran haben, dass immer mehr produziert wird.
In diesem Zusammenhang ist auch die Rolle der Zertifizierer kritisch zu hinterfragen. Auch NGOs wollen moeglichst grosse Erfolge vermelden und jede einzelne verfolgt auch ihre eigenen Interessen. Jedes neue Zertifikat, dass gegen Bezahlung angeboten und /oder verlangt wird, ist ein zusaetzliches Geschaeft. Jeder neue Biofarmer ein neuer Kunde.
Der Druck der, aufgrund der Marktsituation, auf den Farmern lastet beguenstigt Betrug. Mit dem steigenden Druck lernen auch dei Farmer, wie sie von der Undurchsichtigkeit des Systems profitieren koennen. Da es kaum moeglich ist, jede einzelne Faser zu pruefen, wird konventionelle und/oder gentechnsich veraenderte Baumwolle mitverarbeitet. Indiens Farmer haben erfahren, dass ihnen der kleine Trick zu kurzfristigen Ertragssteigerungen verhilft. Sie kommen bei fallenden Preisen doch noch auf ihre Kosten. Auch das ist einer von vielen Gruenden, warum das Angebot an Biobaumwolle steigt.
Nach der Ernte beginnen die weiteren Etappen, bis die Ware letztlich den Verbraucher im Westen erreicht. Eine Transparenz der gesamten Produktions- und Lieferkette waere wuenschenswert, ist jedoch eher Wunsch als Wirklichkeit.
Die Biobaumwolle wird nicht an den Boersen gehandelt, noch gibt es grundsaetzlich langfristige Liefervertraege. Die Baumwollhaendler verhandeln mit den Kleinbauern und Kooperativen jede Saison neu. Vieles bleibt im Dunkeln und foerdert die Spekulation.
Die Preisentwicklung bis zum Endprodukt ist schwer durchschaubar. Wenige Markteilnehmer verhandeln mit wenigen Baumwollhaendlern, wodurch potenziell monopolartige Gebilde entstehen. Wie jede Ware, wuerde sich auch Biobaumwolle besser verkaufen, wenn sie preiswert waere. Doch sie ist teuer, weil viele Zertifizierer auf unterschiedlichen Stufen daran verdienen und weil es das Biolabel nur gibt, wenn hohe Standarts eingehalten werden. Auf jeder Stufe der Wertschoepfungskette fallen neue Kosten an und neuer Profit wird generiert. Der Farmer profitiert davon am wenigsten.
Moeglichkeiten einer Loesung: Manche halten die Einfuehrung einer Boerse fuer sinnvoll, deren Preissignale Spekulationen verhindern, locale Abhaengigkeiten minimieren und Orientierung bieten koennte. Andere setzten auf mehr Transparenz in der der Endkunde den Weg der Ware bis zum Farmer verfolgen kann. Langfristige Abnahmevereinbarungen und leichter kontrollierbare Produktionswege waeren ein Weg.
Andere favorisieren die Biostandarts um Gentech zu erweitern, schliesslich haetten die Farmer in Indien sich laengst dafuer entschieden. Gegner dieser Meinung denken darueber nach, wie man die Ertraege ohne Gentech steigern koennte, so dass die Biofarmer mit der Genkonkurenz mithalten koennen.
Auch das Zertifizierungssystem wird in Frage gestellt, Zitat: “ Eigentlich ist es pervers – wir verlangen von den Unschuldigen einen Unschuldsbeweis”.
Freitag, 12. Februar 2010
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