Sonntag, 14. Februar 2010



Mein Freund Jerry aus Tirupur hat mal gesagt: "In Indien gibt es zwei Dinge, die jede positive Entwicklung schwer bzw zunichte machen. Korruption und Bollywood."

Dieser Artikel aus Spiegel online von heute ist ein klasse Beispiel, wie man mit Humor und Cleverness etwas tun kann. Hut ab und respect vor dieser Idee. Anarchistisch im wahrsten Sinne! Hier der Artikel...

Sie sind täuschend echt, aber wertlos - aus Ärger über gierige Beamte hat ein findiger Korruptionsbekämpfer falsche indische Banknoten drucken lassen. Auf den Geldscheinen mit Gandhis Konterfei steht "Null Rupien". Eine prima Idee: Mittlerweile dienen sie Tausenden zum Protest gegen Bestechlichkeit.

Vijay Anand war verärgert, als er wieder einmal vor einem indischen Beamten stand, der keine Anstalten machte, seine Arbeit zu erledigen. Dabei wusste er: Würde er jetzt einen Geldschein zücken, hundert Rupien vielleicht, knapp 1,60 Euro, würde es sicherlich schneller gehen. Aber Anand hatte keine Lust, Schmiergeld zu zahlen.

Zurück in den USA erzählte der indischstämmige Physikprofessor an der University of Maryland Freunden von seinen Erfahrungen in Indien: Ständig und überall müsse man Leute bestechen, damit sie ihren Job machen. Gemeinsam kam ihnen die Idee, man müsste Geldscheine ohne Wert drucken, die man den Bestechlichen bei solchen Gelegenheiten zustecken könne. Das wäre eine höfliche, aber sehr deutliche Art, nein zu sagen.


Und tatsächlich: Erste Versuche zeigten, dass die Idee funktionierte. Die Geldempfänger reagierten peinlich berührt - und erledigten ihre Arbeit auch ohne Geldgeschenk plötzlich schnell und zuverlässig. Anand, Gründer und Präsident einer Anti-Korruptionsorganisation mit dem selbstbewussten Namen 5th Pillar, die "fünfte Säule", überlegte sich daraufhin, die Scheine im großen Stil herzustellen. Er ließ 25.000 Stück drucken und in der indischen Metropole Chennai, ehemals Madras, verteilen.

Null-Rupien-Scheine sind ein voller Erfolg

Seither kursieren in Indien viele Geschichten über den Erfolg der Kampagne in dem Land, in dem laut einer Studie von Transparency International vor allem arme Menschen überproportional viel Schmiergeld zahlen müssen. So wollte der Organisation zufolge etwa eine alte Frau ihr kleines Grundstück am Stadtrand von Chennai beurkunden lassen. Sie brauchte das amtliche Papier als Sicherheit für die Bank, um dort einen Kredit für die Ausbildung ihrer Enkeltochter zu bekommen. Der Beamte im Bundesstaat Tamil Nadu machte unmissverständlich deutlich, dass die Bearbeitung ohne zusätzliche "Gebühr" sehr lange dauern könne. Als die Frau ihm daraufhin den Null-Rupien-Schein über den Tisch schob, soll er so beschämt gewesen sein, dass er der Frau einen Tee anbot und ihr das gewünschte Dokument innerhalb weniger Minuten aushändigte.

Die indische Zeitung "Mail Today" berichtet von einem Fall bei der indischen Bahn. "Der Schaffner sagte, ich müsse noch eine Stunde warten, bevor ich den Zug betreten darf, obwohl es noch etliche freie Plätze gab", zitiert das Blatt einen Mann mit dem Namen Ravi Sundar, der von Chennai in die Stadt Coimbatore fahren wollte. "Als ich ihm den Null-Rupien-Schein in die Hand drückte, durfte ich plötzlich den Waggon betreten." Der Schaffner habe ihn zwar immer wieder angestarrt, aber nichts gesagt.

Ob diese Geschichten stimmen, lässt sich nicht überprüfen. Ein Erfolg, sagt A. Subramani, Sprecher von 5th Pillar in Chennai, sei die Aktion trotzdem. "Die ersten Geldscheine haben wir im Jahr 2007 verteilt. Bis heute haben wir mehr als eine Million davon unter die Leute gebracht", sagt er.

Protestnote in fünf indischen Sprachen

Und die Empfänger seien überwiegend arme Leute: Menschen ohne Arbeit oder mit nur einfachen, gering bezahlten Jobs sowie Schüler und Studenten. "Die können sich selbst wenige Rupien Bestechungszahlungen nicht leisten." Der Grundgedanke sei aber, dass Bestechung immer schlecht sei - egal um welche Summe es sich handele.

"Beseitigt Korruption auf allen Ebenen", steht deshalb auf den Protestnoten, die wie alle indischen Geldscheine mit dem Konterfei von Mahatma Gandhi versehen sind. Inzwischen kann man die Scheine auch im Internet herunterladen und sich farbig ausdrucken, je nach Region, in der man damit "bezahlen" will, mit Protesten in den Sprachen Hindi, Tamil, Telugu, Kannada oder Malayalam.

Auf der Rückseite der vermeintlichen Geldnoten steht allerdings sicherheitshalber, dass es sich bei diesem Schein nicht um ein Zahlungsmittel handele. Wer den Schein erhält und dann doch noch genauer hinschauen mag, findet einen Aufruf zur Bekämpfung von Korruption sowie die Telefonnummer von 5th Pillar.

Anti-Korruptionskämpfer Anand glaubt, dass diese Art von Protest eine große Wirkung hat: Zwar stehe in Indien auf Korruption Gefängnisstrafe, aber korrupte Menschen hätten bislang kaum mit Widerstand rechnen müssen. Deshalb sei das Kassieren von Bestechungen zur Normalität geworden. Mit den Null-Rupien-Scheinen hätten nun aber selbst arme Menschen die Chance, ohne großen Aufwand ihren Unmut kundzutun und die Bestechlichen in Erklärungsnot zu bringen.

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